Heinrich Schütz
Leiter Jeremias Gotthelf Zentrum und Museum Emmental Lützelflüh – Präsident der Stiftung Franz Eggenschwiler
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Vernissagerede:
Pedro Meier
»Work in Progress«
»Illuminated Color Smoke Project«
Stiftungshaus Franz Eggenschwiler
30. September 2017
Liebe Gäste
Irgendwo auf der Webseite von Pedro Meier lesen wir ein Zitat von Jean Dubuffet – Maler, Bildhauer und Aktionskünstler:
»Selbstverständlich ist die Kunst ihrem Wesen nach verwerflich!
Und überflüssig! Und asozial, subversiv, gefährlich!
Und wenn das nicht ist, dann ist sie weiter nichts als Falschgeld, leere
Hülle, Kartoffelsack.«
Vor Ihnen steht kein Kunstkritiker, auch kein Kunsthistoriker und auch kein Kulturredaktor einer Tageszeitung. Es ist deshalb für einen Künstler wie Pedro Meier, über den schon viele gescheite und kompetente Würdigungen geschrieben worden sind, ein gewisses Risiko, für einmal einen Laien zu Wort kommen zu lassen, um seine umfangreiche Einzelausstellung zu würdigen und zu eröffnen.
Im Namen des Künstlers Pedro Meier und das Stiftungsrates heisse ich Sie herzlich willkommen und danke Ihnen für Ihr Interesse. Sie werden im Sinne des vorhin erwähnten Zitats von Dubuffet kein Falschgeld und auch keine Kartoffelsäcke finden.
Mit der eindrücklichen Rauchinstallation hat uns Pedro Meier begrüsst und eingestimmt zusammen auf eine abenteuerliche, phantastische Reise durch verschiedene Schaffensperioden. Lassen wir uns führen und vor allem verführen, mit dem Künstler durch Räume und Zeiten zu gehen und uns verändern zu lassen, so wie Pedro Meier das auf immer neue Arten und mit immer andern Materialien und Grundlagen tut.
Erstmals hat ein Künstler die Aussen- und Innenräume des Stiftunghauses im wahrsten Sinne des Wortes besetzt und mit seinen Werken bespielt: den wilden Garten, die Terrasse, die Galerie und den Begegnungsraum. Das war auch die Idee von Franz Eggenschwiler, die er leider nicht mehr realisieren konnte. Wie und mit welchen Mitteln hat nun Pedro Meier die Aussen- und Innenräume des Stiftungshauses besetzt, gestaltet und verändert?
Es beginnt mit der komischen Figur seitlich beim Eintritt in die Galerie: wie ein LOGO am Eingang einer Firma. Es ist König Ubu. Eine literarische Figur, geschaffen vom Bürgerschreck Alfred Jarry und als Theaterstück uraufgeführt in Paris 1897. „Ubu Roi“ kommt auf die Bühne und schreit das provokative Wort „Merde“, Scheisse in den Zuschauerraum. Das war damals für das Pariser Publikum zuviel, Tumulte, Unterbruch und später Abbruch der Vorstellung waren die Folge. Im gleichen Jahr kauft sich Jarry ein Luxus-Fahrrad »Clément luxe 96«, mit dem er die Strassen von Paris unsicher macht, Symbol einer unerhörten Modernität. Jarry gilt heute in der Kunstszene als der Ur-Dadaist. Pedro Meier hat das berühmte Foto umgestaltet und verändert.
Jarry war nicht bildender Künstler, sondern Autor. Und da ergibt sich wohl auch eine Parallele zu Pedro Meier: gelernter Buchhändler und Antiquar. Er kam spät zur Kunst, brach irgendwann aus den Räumen voll gestopft mit Büchern aus, um die Welt zu entdecken und neue Sichtweisen zu entwickeln.
Und da ist noch der Vater des Künstlers, Gerhard Meier, Schriftsteller, dem wir in dieser Ausstellung im Begegnungsraum eine kleine Hommage eingerichtet haben, ergänzt durch die Sepia-Lithographien von Pedro Meier zu Gedichten von Gerhard Meier.
Gehen wir gedanklich die Räume durch, die Sie dann persönlich erleben werden. Pedro Meier schafft aus scheinbarem Abfall Neues. Er sammelt Objets trouvés, führt sie zu einer Assemblage zusammen: altes Holz aus Niederbipp wird verändert zu einer neuen Aussage, die Waschkelle, die Bohnenstangen- Fragmente. Pedro Meier verpackt und verschnürt kleine Objekte und erinnert an Christo. Von andern geschaffene Erzeugnisse, wie die Tierkalender bilden die Grundlage der Neugestaltung durch den Künstler:
Pedro Meier provoziert und löst Denkanstösse aus.
Man fragt sich: zerstört Pedro Meier mit dieser Arbeitsweise nicht vielmehr ein ehrlich geschaffenes Produkt. Die Frage muss verneint werden. Diese Arbeitsweise ist vielmehr Ausdruck des Dialogs, der Weiterentwicklung. Es gibt wahrhaft viel zu entdecken in dieser Ausstellung. Nehmen Sie sich Zeit dazu: die feinen Tuschfeder-Spinngewebe, die Décollages, die Pall-Mall Collagen, lauter spannende Werke.
Dann gibt es den Überflieger Ikarus, zunächst den Flug in die Sonne als Triptychon, in der Galerie und im Begegnungsraum ausgestellt. Schliesslich die Flügel des Ikarus, Bambusstäbe überzogen mit Stoff-Vlies und geschnürt. Die asiatischen Impressionen auf selbstgeschöpften Papieren vom Maulbeerbaum, die tiefsinnige Skulptur „Traum vom Meer“.
Der Künstler Pedro Meier hat zusammen mit dem Ausstellungsmacher Heinz Allemann eine verwirrend eindrückliche Ausstellung gestaltet. Pedro Meier präsentiert Werke aus verschiedenen zeitlichen Abschnitten seines Schaffens. Sie sind bewusst nicht chronologisch gehängt oder platziert. Das wäre auch nicht sinnreich gewesen. Pedro Meier ist von Anbeginn bis jetzt seiner Philosophie treu geblieben:
Durch Verändern neue Sichtweisen auszulösen.
Work in Progress: der künstlerische Prozess ist nie abgeschlossen, er entwickelt sich immer weiter. Das wird vor allem mit Installationen und multimedialen Projekten erreicht.
Wir sind deshalb glücklich, dass Pedro Meier mit dieser Einzelausstellung eine kleinen Stopp einschaltet und uns die Möglichkeit bietet, einen kurzen Überblick über sein bisheriges künstlerisches Schaffen zu erhalten, bevor er sich wieder mit neuen Inspirationen auseinandersetzt.
Herzlichen Dank Pedro, dass du zu uns nach Eriswil gekommen bist und herzlichen Dank auch an Heinz Allemann, immer begleitet und unterstützt von deiner Frau Rita, für die Gestaltung der Räume.
Ihnen, liebe Gäste wünsche ich nun viel Vergnügen, anregende Diskussionen und wenn Sie nach Hause gehen, eine veränderte Sichtweise.
Heinrich Schütz
30. September 2017
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